Fulda (cif). Eine Gruppe polnischer Seniorinnen und Senioren, die kürzlich als Gäste der Caritas einen Erholungsaufenthalt in Osthessen wahrnehmen, besuchte in ihrer Eigenschaft als Zeitzeugen aus der NS-Zeit die Caritas-Pflegeschule, um mit den Schülerinnen und Schülern über die Vergangenheit und ihre Erlebnisse als Verfolgte der NS-Zeit ins Gespräch zu kommen.
Für die alljährlichen Besuche der polnischen Zeitzeugen, die auch der Wiedergutmachung sowie der Pflege der deutsch-polnischen Freundschaft dienen, kooperiert die Caritas Fulda mit dem Maximilian-Kolbe-Werk in Freiburg. Untergebracht waren die Besucher mit ihrer ehrenamtlichen Caritas-Betreuerin Gisela Bauer im Kloster Hünfeld.
Seniorinnen und Senioren sowie die aufmerksame SchülerschaftCaritas FD
Dajana Herbst, Leiterin der Pflegeschule, begrüßte die Gäste und betonte, wie wichtig der Schule die jährlich stattfindenden Zeitzeugengespräche seien. Zunächst berichteten die Seniorinnen und Senioren über einige ihrer Erlebnisse, welche von Dolmetschers Wieslaw Cislak übersetzt wurden. Es waren bewegende und traurige Berichte über Familienschicksale und persönliche Lebenswege. Die mit 92 Jahren älteste der Damen wollte nicht viel erzählen: "Ich habe so viel gesehen, was ich in meinem Herzen trage. Ich kann Ihnen das nicht erzählen, weil ich meine Wunden nicht wieder aufreißen will.", lies sie die anteilnehmende Zuhörerschaft wissen, bevor sie eine ihrer Erinnerungen teilte: Ihre Mutter arbeitete in einer Nähfabrik. Sie, wie auch andere Kinder, wurden dorthin mitgenommen und spielten auf dem Innenhof, wie jeden Tag. "Aus irgendeinem Grund, vielleicht Intuition, bin ich an einem Tag in die Fabrik gegangen und alle Treppen hochgelaufen ins Dachgeschoss. Plötzlich sah ich von oben, wie Soldaten kamen und alle Kinder mitnahmen. Ich hatte einfach großes Glück.", berichtete die Dame von ihrem Schicksal.
Im Raum herrschte eine Stimmung, geprägt von Anteilnahme und Respekt gegenüber den Erlebnissen und auch den Berichten. Eine andere Seniorin, von Beruf Psychologin, machte auf die Wichtigkeit der Aufarbeitung deutlich: "Ich habe mit all den Therapien, die andere Menschen bei mir gemacht haben, irgendwie teilweise auch meine Geschichte verarbeitet."
Dajana Herbst (Leiterin Caritas Pflegeschule) mit der Reisegruppe und deren BetreuernCaritas FD
Herbst dankte den Seniorinnen und Senioren anschließend für ihren Besuch und ihre Offenheit. "Was mit Ihnen, Ihren Familien, den Kindern und all den anderen Menschen passiert ist, das geht uns allen sehr nahe. Solche Gräuel dürfen sich nicht wiederholen. Wir müssen die Dokumentationen, Schriftstücke und solche Berichte annehmen, anschauen und weitertragen. Es liegt in unserer Verantwortung keinen Platz zu machen für Menschen oder Parteien, die andere Menschengruppen ausschließen oder Familien trennen wollen. Es ist an uns, tolerant und respektvoll miteinander umzugehen.", ergänzte Herbst.
Im Anschluss nutzte die Schülerschar die Gelegenheit, einige Fragen zu stellen, sodass ein angeregtes Miteinander entstand. Auf die wichtige Frage, was junge Menschen von diesen Geschichten lernen können, gab es abschließend eine klare Antwort: Diese Erfahrungen weitertragen, damit die Geschichte nicht vergessen wird. Und: Niemals eine Gruppe verurteilen, sondern jeden Menschen immer einzeln betrachten.